Rachel McIntyre // Komina & Knuffinke // Magellan // 304 Seiten // gebunden // 16,95€ // 978-3-7348-5007-3 // Zum Fazit? |
Worum geht's?
Wie wehrt man sich gegen fiese Sprüche und gemeine Angriffe? Aus bitterer Erfahrung weiß Lara: gar nicht. Denn alles, was sie versucht hat, hat ihre Lage nur noch schlimmer gemacht. Deswegen hält sie still, zieht den Kopf ein und fragt sich, ob sie nicht doch schuld ist an der ganzen Misere. Das ändert sich, als sie Ben trifft. Die Stunden mit ihm sind bald die einzigen Lichtblicke in Laras Leben. Durch seine Augen sieht sie sich in einem neuen Licht: Sie ist klug, witzig und hübsch, und was ihr passiert, ist Mobbing der übelsten Sorte. Gemeinsam suchen sie einen Ausweg aus Laras Situation. Und es könnte ihnen gelingen, wäre da nicht ein Problem: Ben ist Laras Lehrer. (Quelle: Magellan)Meine Meinung:
Preisfrage: Was schenkt man einer Fünfzehnjährigen ohne Sozialleben?
Die Antwort: Natürlich ein Tagebuch!
(S. 5)
Die Antwort: Natürlich ein Tagebuch!
(S. 5)
Ein romantischer Titel, eine zuckersüße Gestaltung: Dass hinter „Sternschnuppenstunden“, dem Debüt der britischen Autorin Rachel McIntyre, eine Geschichte stecken würde, die mir eine Gänsehaut bereiten und mir so manches Mal die Sprache verschlagen würde, habe ich bei einem Buch aus dem Magellan-Verlag durchaus erwartet. Dass hinter der liebevollen Fassade allerdings so eine extreme Erzählung, solch eine mitreißende und emotional belastende Geschichte stecken würde, die zugleich belastet, berührt und bewegt, hat mich erneut überrascht und begeistert.
Kaum hat man das Buch aufgeschlagen, zaubert einem die fünfzehnjährige Protagonistin Lara noch ein breites Lächeln auf das Gesicht. Das junge Mädchen findet sich nämlich mit dem ironischsten Weihnachtsgeschenk – einem Tagebuch – ab, das sie jemals bekommen hat, und beginnt damit, es fleißig mit ihren Gedanken und Erlebnissen zu füllen. Das tut sie mit solch einem Charme und so viel Humor, dass man Lara sofort ins Herz schließt. Doch so witzig und spritzig sich „Sternschnuppenstunden“ auch liest: Schnell wird einem bewusst, dass die Thematik alles andere als lustig ist.
Protagonistin Lara ist ein liebenswürdiges Mädchen, das man einfach gern haben muss. Sie ist klug und humorvoll, aufrichtig und voller Ideen. Leider meint es das Schicksal nicht gut mit Lara. Nachdem die Firma ihres Vaters bankrottgegangen ist, droht ihre Familie unter der Last der Veränderungen zu zerbrechen. Sie leben in einer schlechten Gegend, direkt neben den „Asisvonnebenan“, und können sich nur durch die Putzjobs ihrer Mutter über Wasser halten. Für ihre Mitschüler ist Lara dadurch zum Gespött der Schule geworden. Anfangs lässt Lara die Beschimpfungen tapfer über sich ergehen, aber je schlimmer die vermeintlichen Scherze werden, desto schwerer werden sie auch für Lara zu ertragen.
„Sternschnuppenstunden“ beschäftigt sich auf äußerst grausam-realistische Weise mit dem Thema Mobbing. Obwohl sich Laras Tagebucheinträge auch nach schwerwiegenden Mobbing-Attacken noch frech und witzig lesen, vergeht einem mit jedem Eintrag mehr das Lachen. Schon bald schrecken Laras Peiniger auch nicht mehr vor Erpressungen oder körperlichen Übergriffen zurück. Selbst als außenstehender Leser gerät man bei den grausamen Schilderungen an seine psychischen Grenzen und würde am liebsten sofort in das Buch steigen, um Lara zur Seite zu stehen. „Sternschnuppenstunden“ hat mir sehr auf den Magen geschlagen und mich zugleich sehr berührt.
Neben dem Mobbing beschäftigt sich Rachel McIntyre auch intensiv mit Laras schwierigen Familienverhältnissen und wie die einst so glückliche Familie mit den Veränderungen umgeht. Bedrückend, aber ehrlich beschreibt die Autorin den großen Druck, die Streitpunkte, und wie Lara bei all den Problemen nach ihrem ganz persönlichen Glück sucht. Dabei spielt vor allem ihre verbotene Schwärmerei für ihren Lehrer, dem einzigen Menschen, der sich um sie zu sorgen scheint, eine enorme Rolle im Handlungsverlauf. Ich habe von der ersten bis zur letzten Seite mit Lara mitgeschwärmt und –gelitten, ihre Entscheidungen und Gedanken verstanden, wenn auch nicht immer gutgeheißen. „Sternschnuppenstunden“ ist ein beeindruckendes Buch, das mich mit Haut und Haar durch seine Seiten gezogen hat.
Mit den letzten Entwicklungen und dem Abschluss der Geschichte konnte mich Rachel McIntyre allerdings nicht vollends überzeugen. Obwohl sich „Sternschnuppenstunden“ so entwickelt, wie es sich für ein Jugendbuch gehört, und seine Leser mit einer guten Moral zurücklässt, empfand ich das Ende als zu abrupt und aufgesetzt. Während ich vorher aus ganzem Herzen mit Lara mitgefühlt habe, konnte ich hier nur noch den erhobenen Zeigefinger der Autorin spüren. Dies ist allerdings eine sehr persönliche Empfindung, denn mir ist bewusst, dass Rachel McIntyre bei solch einem schwierigen und prekären Roman keinen anderen Ausweg mit gutem Gewissen hätte zulassen können. Deshalb behalte ich „Sternschnuppenstunden“ nichtsdestotrotz durchweg positiv, wenn auch zutiefst schwermütig im Gedächtnis.